Sie wagen es – na ja, ich wage es auch.

Liebe Unterstützerinnnen und Unterstützer,
Liebe FreundInnen und Bekannte,

Heute war in der Post ein Brief vom Gerichtsvollzieher, der mich auffordert, am 5. 12. 2017 um 10 Uhr zum Herforder Gefängnis in der Eimterstr. 15 zu kommen, andernfalls würde ich mit der Polizei gesucht. Selbstverständlich werde ich hingehen. Die Herforder „Szene“ ist schon informiert, und ich hoffe auf Menschen, die mich auf dem Gang zum Gefängnis begleiten. Ob ich in Herford bleibe oder nach Bielefeld-Brackwede gebracht werde, weiß ich nicht. Denn Herford ist ein Jugendknast. Na, vielleicht haben sie noch eine Zelle für mich übrig.

Zum Hintergrund: Am 1.8. 2015 bin ich zusammen mit FreundInnen auf dem Gelände der im Bau befindlichen Kampfstadt Schnöggersburg gewesen. Das ist in der Colbitz-Letzlinger Heide nördlich von Magdeburg. Dafür bin ich vom Amtsgericht Bonn zu einem Bußgeld von 400 Euro verurteilt worden. Diese Verurteilung ist rechtskräftig. Um aber den Skandal weiter in die Öffentlichkeit zu bringen, dass die Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide nicht nur Angriffskriege, sondern auch den Einsatz im Innern übt (Häuserkampf), will ich das Geld nicht still bezahlen, sondern mich dafür einsperren lassen.

Was könnt ihr von ferne tun, wenn ihr etwas tun wollt? Ihr könnt mir Postkarten in den Knast schreiben. Adresse: JVA, Eimterstr. 15, 32049 Herford. Aber gebt euch bloß mit dem Text keine Mühe und schreibt am besten nur „Liebe Grüße“. Solche Karten sind vielleicht weniger für mich als für die Knastverwaltung, damit sie sehen, welches Interesse sie erregen. Mehr fällt mir im Moment nicht ein – vielleicht habt ihr noch eigene Ideen? Ihr könnt Henry David Thoreau lesen. Er hat auch gute Tipps für alle Internet- und Smartphone-Abhängigen. Am Schluss muss ich noch einen Gedanken loswerden, der mir kam, als ich mich in den letzten Tagen mit Leuten über meine Absicht unterhalten habe, in den Knast zu gehen. Ich merkte bei einigen eine gewisse Abwehr und fragte mich, ob sie daher kommt, dass die Betreffenden den Eindruck haben, ich wolle ihnen ein schlechtes Gewissen machen. Natürlich will ich das nicht. Mein Entschluss, in den Knast zu gehen, passt gerade genau in meine jetzige Lebenssituation und zu dem, was ich auch sonst mache. Für jeden und jede einzelne von euch ist die Situation anders, und jedeR muss sich selbst fragen, in welcher Weise er oder sie unbequem werden kann, um das Militär abzuschaffen.

Ich fühle mich nicht als Märtyrer und habe eine Aktionsform gewählt, von der ich ziemlich sicher bin, dass sie mich nicht überfordert (am Schluss der Affäre können wir uns wieder darüber unterhalten). Demgemäß habe ich auch nicht die Absicht, den Staat anzuklagen oder zu beschimpfen, sondern ich nehme seine Reaktionen neutral hin. Es ist einfach eine Maschine, die handelt und ihre Logik hat; der setze ich meine menschliche Logik entgegen. Selbstverständlich weiß ich, dass auch die Öffentlichkeitsarbeit ihre Grenzen hat: Viele, die einen Artikel über die Sache in der Zeitung lesen, werden sich gar keine tieferen Gedanken darüber machen und alles am nächsten Tag vergessen haben. Andere werden es in dieser oder jener Weise missverstehen. Auch das muss ich akzeptieren. Meine Aktion kann nur ein kleines Sandkorn sein unter den vielen, die die Vernichtungsmaschine endlich stoppt.

Am 17. 1. 2018 soll ich mich außerdem vor dem Amtsgericht Cochem wegen „Hausfriedensbruchs“ und Sachbeschädigung verantworten: Im Sommer 2017 war ich, mit einigen FreundInnen aus den USA zusammen auf dem Gelände des Fliegerhorsts Büchel, um gegen die dort gelagerten Atomwaffen zu demonstrieren. Das ist der nächste Termin, der auf mich zukommt. Ich bin darauf gefasst.

Liebe Grüße, Gerd Büntzly