Wir lassen uns den Protest nicht verbieten: Stoppt das Versamlungs-verhinderungs-gesetz in NRW!

Während die Situation rund um Corona die Öffentlichkeit und die Berichterstattung dominiert, hat die schwarz-gelbe Landesregierung eine Änderung des Versammlungsgesetzes geplant. Die erste Lesung hat bereits stattgefunden – an einem Mittwoch um 20:15 Uhr – und der Entwurf wurde durch neues deutschland passend mit „Versammlungs-verhinderungsgesetz“ betitelt. Auch wenn eine Lesung noch nicht bedeutet, dass der Entwurf in dieser Form beschlossen wird, wollen wir hier aufzeigen, warum wir nicht zulassen dürfen, dass das Gesetz in Kraft tritt. Bereits am 27.1. (Tag der Lesung) fand eine erste Spontandemo vor dem Landtag statt, am Samstag, den 30.1.2021 hat das Bündnis „Köln gegen rechts“ zu einer Demo in Köln aufgerufen (13:00 Uhr Rudolfplatz).

Der Gesetzentwurf

Während Innenminister Herbert Reul (CDU) das Gesetz als Mittel für den Kampf gegen Rechts bezeichnet, wird der Entwurf massiv Einfluss auf Demos aus dem linken Spektrum treffen. Hier nur einige Beispiele:

§18 – Militanzverbot

(1) Es ist verboten, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder eine sonstige öffentliche Veranstaltung unter freiem Himmel zu veranstalten, zu leiten oder an ihr teilzunehmen, wenn diese infolge des äußeren Erscheinungsbildes
1. durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungs- stücken,
2. durch ein paramilitärisches Auftreten oder 3. in vergleichbarer Weise Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt.“

Ein schwarzer Block auf Demos? Ende Gelände in Maleranzügen? Laut des Entwurfes muss damit gerechnet werden, dass Menschen, die in einem einheitlichen Look an einer Demo teilnehmen wollen, daran gehindert werden. Und dies entscheidet – wie sollte es anders sein – die Behörde vor Ort.

§7 – Störungsverbot

(1) Es ist verboten, eine Versammlung mit dem Ziel zu stören, diese zu behindern oder zu vereiteln.
(2) Nach Absatz 1 ist insbesondere verboten,
1. in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen zu behindern oder zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vorzunehmen oder anzudrohen oder Störungen zu verursachen,
2. in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen zu verhindern oder ihre Durchführung zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren, Handlungen vorzunehmen, die auf die Förderung von in Nummer 1 beschriebenen Handlungen gegen bevorstehende Versammlungen gerichtet sind oder
3. bei einer öffentlichen Versammlung der Versammlungsleitung oder den Ordnerinnen und Ordnern in der rechtmäßigen Erfüllung ihrer Ordnungsaufgaben mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt Widerstand zu leisten oder sie während der Ausübung ihrer Ordnungsaufgaben tätlich anzugreifen.“

Bei einer Verschärfung des Versammlungsgesetzes würde dieser Paragraf (mutmaßlich) dazu führen, dass alleine ein Aufruf „Naziaufmarsch verhindern“ zu einer Kriminalisierung führen kann, eine Blockade der Route unmöglich gemacht wird. Doch auch im Vorfeld kann diese Verschärfung schon greifen, bei einer konsequenten Auslegung würden bereits Blockadetrainings unter den Punkt 2.2 fallen. Es ist uns bewusst, dass gerade für unerfahrene AktivistInnen Trainings unerlässlich sind, um nicht nur den rechtlichen Rahmen kennenzulernen, sondern sich mit Hilfe konkreter Übungen auf die Situationen bei einer Demo einzustellen und vorzubereiten.

§16 Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton

(2) Die zuständige Behörde darf Übersichtsaufnahmen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes anfertigen, wenn dies wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich ist.“

Auch wenn es für uns ein bekanntes Szenario ist, dass auf Demos gefilmt wird, es aber immer wieder Auseinandersetzungen vor Gericht darum gibt, wird durch diesen Abschnitt das Filmen legalisiert. Da die Polizei selbst über Größe und Unübersichtlichkeit entscheidet, muss man nicht viel Phantasie an den Tag legen, um sich sicher zu sein, dass zukünftig selbst Demos mit 50 TeilnehmerInnen als unübersichtlich eingestuft werden.

§15 Kontrollstellen

Die Polizei kann Personen und Sachen durchsuchen und die Identität einer Person feststellen an einer Kontrollstelle, die von ihr eingerichtet worden ist, um eine Straftat nach § 27 Absatz 4, 5 und 7 zu verhüten.“

Bilder mit Zelten bei Demos aus dem rechten Spektrum kennt man zu genüge. Da sich aber §27 Absatz 4 auf die Störung nicht verbotener Demos bezieht besteht durch eine Verschärfung die Möglichkeit, dass die Polizei weiträumig Routen absperrt und AktivistInnen nur nach einer Kontrolle überhaupt in die Nähe einer Demoroute lässt. Eine Verschärfung, die die Linke massiv trifft.

Willkürmaßnahmen werden legalisiert

Aus unserer täglichen Arbeit wissen wir um die Versuche der Polizei, unseren Protest und unseren Aktivismus zu kriminalisieren und zu erschweren. Unglaubliche Zuordnungen sind jetzt schon alltägliche Praxis: z.B. eine Plastikfolie vor dem Gesicht als „Schutzbewaffnung“ einzuordnen oder ein „sich in den Weg stellen“ als tätlichen Angriff zu werten. Eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes würde dazu führen, dass die Polizei Gesetze nicht mehr nur wie bisher nach eigenen Vorstellungen auslegen muss (und später vor Gericht vielleicht verliert), sondern dass noch mehr Formen des Protestes kriminalisiert und verhindert werden, ohne dagegen noch eine rechtliche Handhabe zu haben. So würden beispielsweise Menschen, die im November 2019 in Bielefeld versucht haben, auf die Route der Haverbeck-Demo zu gelangen, eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder eine Geldstrafe drohen. (§27 Absatz 4).

Es liegt an uns! Geht auf die Straße gegen das neue Versammlungsgesetz! Zeigt allen BündnispartnerInnen auf, welche Gefahren durch eine Verschärfung drohen! Schreibt euren Landtagsabgeordneten, was ihr von einer Verschärfung haltet!

Weiterführende Links:

Gesetzesentwurf: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-12423.pdf

https://www.prigge-recht.de/nrw-landesregierung-will-versammlungsfreiheit-massiv-beschraenken/#Formale_Hurden_fur_Veranstalterinnen

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1147361.neues-gesetz-zu-demonstrationen-in-nrw-versammlungsverhinderungsgesetz.html

https://www.koelngegenrechts.org/2021/01/nein-zum-neuen-nrw-versammlungsgesetz/