Oury Jalloh – Das war Mord!

Wie ein rassistisches Verbrechen in deutschem Polizeigewahrsam von Polizei und Justiz zehn Jahre lang vertuscht wurde

Pressemitteilung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V.

Vor zehn Jahren wurde Oury Jalloh in der Dessauer Polizeizelle Nr. 5 an Händen und Füßen angekettet und verbrannte auf einer schwer entflammbaren Matratze bis zur Unkenntlichkeit. Die Brand- und Todesursache wurde von den zuständigen Ermittlungsbehörden bis heute nicht aufgeklärt. Im Gegenteil, das Landeskriminalamt Sachsen – Anhalt, die Kriminalpolizei von Stendal und die Staatsanwaltschaft Dessau ermittelten von Anfang an in nur eine Richtung: sie behaupteten, dass Oury Jalloh die Matratze am 7. Januar 2005 selbst entzündet hatte.

 

 

Obwohl sich in den langwierigen Gerichtsverfahren vor den Landgerichten Dessau (2007/2008) und Magdeburg (2011/2012) die Indizien und Beweise in Richtung Mord immer weiter verdichteten und sich verdächtige Polizeibeamte in Lügen und Widersprüche verstrickten, waren Staatsanwaltschaft und Richter nicht interessiert an der Wahrheitsfindung. Die Anklageschrift des Staatsanwaltes konzentrierte sich einzig auf das Fehlverhalten des damaligen Dienstgruppenleiters Andreas Schubert, dem vorgeworfen wurde, dass er nicht alles für eine schnelle Rettung von Oury Jalloh getan hätte. Brandversuche zur Rekonstruktion des Brandbildes, wie es in Zelle 5 tatsächlich vorgefunden worden war, wurden von Seiten der sachsen –anhaltinischen Justiz vehement abgeblockt. Dies hätte ihrer Ansicht nach nichts mit den Vorwürfen gegen Schubert zu tun. Dieser wurde am 13. Dezember 2012 wegen fahrlässiger Tötung vom Magdeburger Landgericht schuldig gesprochen und zu einer Strafe von 10.800 Euro verurteilt. Sowohl die Gewerkschaft der Polizei als auch die NPD riefen zu Spendensammlungen zur Unterstützung von Schubert auf.

Weil Richter und Staatsanwälte Brandversuche mit der Frage nach Brandausbruch und Brandverlaufverweigerten, hatte die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh ein unabhängiges Brandgutachten in Irland in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden am 12. November 2013 im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt. Es konnte nachgewiesen werden, dass es physikalisch betrachtet, völlig unmöglich ist,dass Oury Jalloh ein so starkes Feuer selbst entfachen konnte. Aufgrund der schwerwiegenden Beweise, die ganz offensichtlich für die Ermordung von Oury Jalloh durch Dessauer Polizeibeamte sprechen, hat die Initiative am 11. November 2013 eine Strafanzeige wegen Mordes gegen Unbekannt beim Generalbundesanwalt Harald Range gestellt. In dieser wurde Range auch darüber informiert, dass Polizei und Justiz in Sachsen – Anhalt eine Aufklärung der Todesumstände von Oury Jalloh kollektiv verhindert haben.

Unter Berufung auf das Urteil des Magdbeburger Landgerichts, erklärte Oberstaatsanwalt Krauß als Vertreter des Bundesgerichtshofes in einem Schreiben vom 11. Februar 2014, dass man „aus rechtlichen Gründen nicht berechtigt“ sei, das Verfahren an sich zu ziehen. Auch in Karlsruhe wollten die Bundesanwälte keinerlei Anhaltspunkte für die Ermordung Oury Jallohs sehen. Ermittlungsversäumnisse seitens der sachsen– anhaltinischen Behörden hätte es zwar gegeben, diese wären aber unbeabsichtigt erfolgt. Deshalb wurde die Strafanzeige der Initiative zurück in die Hände der Dessauer Staatsanwälte nach Sachsen – Anhalt geleitet.

Obwohl der leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann nach der Pressekonferenz in Berlin in eine Reihe von Mikrofonen gestammelt hatte, dass er aufgrund des neuen Brandgutachtens nun auch „Aufklärungsbedarf“ sehe, hat seine Behörde in den vergangenen Jahren gar nichts geklärt. Sie ließ einen Teil der Asservate nochmals nach Brandbeschleunigern untersuchen und behauptete in einer Pressemitteilung vom 3. April 2014, dass keine Brandbeschleuniger mehr nachzuweisen seien und es deshalb auch keine Brandbeschleuniger gegeben haben kann.

 Aufgrund eigenständiger Recherchearbeiten der Initiative, ergaben sich im Frühjahr 2013 sogar ganz konkrete Hinweise auf einen der Tatbeteiligten. Diese Informationen wurden an eine Journalistin
weitergegeben, die sich nach Rücksprache mit ihrem Anwalt aus Sicherheitsgründen im April 2013 dazu entschieden hatte, die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe einzuschalten. Diese erklärte sich abermals für nicht zuständig und übermittelte die neuen Anhaltspunkte an den Generalstaatsanwalt von Sachsen – Anhalt Jürgen Konrad. Konrad wiederum informierte am 24. Oktober 2014 die Dessauer Staatsanwaltschaft und vertraute ihr weitere Ermittlungsschritte an. Was dann folgte, ist mehr als fragwürdig:
 Nicht der mögliche Täter wurde Ziel der staatsanwaltlichen Ermittlungen, sondern die Person, die auf den Täter zeigte. Der

zuständige Oberstaatsanwalt Christian Preissner veranlasste am 5. Dezember 2013, sogar eine Hausdurchsuchung bei dem Hinweisgeber und beschlagnahmte sämtliche Datenträger. Hingegen wurde der Tatverdächtige selbst nicht einmal befragt. Ähnlich erging es einem Justitzvollzugsbeamten aus Dessau, der sich Ende 2013 an die Anwälte der Familie von Oury Jalloh gewandt hatte. Er hatte diesen mitgeteilt, dass in der Dessauer Polizei alle wissen würden, wer zu den Mördern von Oury Jalloh gehöre. Nachdem er sein Wissen auch den Dessauer Behörden mitgeteilt hatte, wurde er sofort vom Dienst suspendiert. Ihm wurde ein Disziplinarverfahren angehängt und letztlich wurde er als alkoholkrank diffamiert.

Doch die Beweise für die Ermordung von Oury Jalloh hatten sich auch an anderer Stelle weiter verdichtet:Im Rahmen des Revisionsverfahrens vor dem Magdeburger Landgericht hatte sich bereits im Juni 2012herausgestellt, dass sich an dem Feurzeugrest, welcher sich angeblich im Brandschutt unter dem Leichnam von Oury Jalloh befunden haben soll, weder Spuren dessen Kleidung noch der Matratze anhafteten. Am 19.August 2014 hatten weiterführende Untersuchungen durch das LKA Baden – Württemberg neue Merkwürdigkeiten ergeben: An dem angeblichen Feuerzeugrest befinden sich neben einer enormen Menge nicht bestimmbarer Fasern auch zwei Tierhaare (Wollhaare 5mm bis 22,5mm) sowie einige unverbrannte Faserreste, die den verbrannten Fasern aufgelagert sind. Von welchem Tier diese Haare stammen, wurde nicht analysiert, jedoch zeigt ein Foto einen der möglichen Täter beim Spielen mit einem Schäferhund. Die Staatsanwaltschaft Dessau sieht auch hier keinen Ermittlungsansatz. Am 5. September 2014 lehnte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe die   Revisionsanträge im Prozess gegen Andreas Schubert ab. Der Bundesanwalt Dr. Krauß hatte sich im Dezember 2013 der Revisionsbegründung der Dessauer Staatsanwälte angeschlossen und sich für die Verurteilung des Angeklagten wegen  „Freiheitsberaubung mit Todesfolge“ ausgesprochen. Bei der mündlichen Verhandlung am  Bundesgerichtshof am 28. August 2014 änderte er seine Standpunkt grundlegend und regte an das Verfahren einzustellen.

 In den letzten Monaten konnten keine intensiven Ermittlungsfortschritte seitens der Dessauer Staatsanwaltschaft festgestellt werden. Informanten, die auf die Mörder zeigten, wurden mit Repressionen zum Schweigen gebracht und der „Aufklärungsbedarf“ dieser Behörde beschränkt sich derzeit auf die Überprüfung der bereits vorliegenden Gutachten durch jene  Sachverständigen, die diese Gutachten im Rahmen des Prozesses gegen Andreas Schubert selbst erstellt hatten. Anfang Dezember 2014 hatte Oberstaatsanwalt Christian Preissner den Anwälten der Familie Jalloh mitgeteilt, dass die medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Kauert und Prof. Dr. Bohnert mit der Prüfung ihrer eigenen Gutachten beauftragt worden sind!

Aufgrund der hier in Kürze zusammengefassten eigenen   Aufklärungsergebisse im Mordfall Oury Jalloh, kommt die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh zu der zwingenden Schlussfolgerung, dass weder die Dessauer Staatsanwaltschaft, noch die   Bundesanwaltschaft an der Aufklärung der Todesumstände interessiert sind. Seit dem 7. Januar 2005 wird die Wahrheit über die Ermordung von Oury Jalloh in Polizeigewahrsam von Polizei und Justitz in der BRD kollektiv gedeckelt und vertuscht. Mit großem Eifer arbeiten die Dessauer Staatsanwälte hingegen an der  Strafverfolgung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Nachdem die Initiative nun erneut unabhängige Gutachten in Großbritannien und Canada in Auftrag gegeben hatte, führt die Staatsanwaltschaft derzeit einen irrsinnigen Prozess gegen einzelne Aktivisten der Initiative vor dem Amtsgericht in Dessau. Die Wahrheit über die rassistischen Verbrechen und des deutschen Staates können nicht länger unter den Teppich gekehrt werden. Die Proteste gegen die öffentlichen Hinrichtungen von Afroamerikanern durch „weiße“ Polizisten in den USA, sind ebenfalls Ausdruck für den wachsenden Widerstand gegen die seit 500 Jahren anhaltenden rassistischen Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismen, durch die „weißen“ Europäer weltweit.