Pfefferspray

Ob in feinem Strahl oder im breiten Sprühnebel: die Polizei ist dazu übergegangen, Pfefferspray massenhaft und exzessiv einzusetzen. Reichlich versprüht, soll es dir die Bereitschaft, deinen Protest auf die Straße zu tragen, verleiden. Die starken Schmerzen, die dieser chemische Kampfstoff auslöst, sind die Strafe für rebellische Demonstrant*innen. Doch lass dich nicht abschrecken, sondern schütze dich und hilf anderen, die es erwischt hat.

Pfefferspray – was ist das?

Ursprünglich aus extrem scharfen Chilischoten (Oleoresin Capsicum „OC“) gewonnen, wird Pfefferspray mittlerweile chemisch synthetisiert und heißt bei den Cops Pelargonsäure-Vanillylamid (PAVA). Dieser Kampf- und Reizstoff erzeugt auf der Haut und besonders auf den Schleimhäuten ein extremes und sehr schmerzhaftes Brennen.

Symptome und Wirkungsdauer

Auf den Einsatz von Pfefferspray reagiert der Körper mit heftigen Symptomen, die bei gesunden Menschen zu einer vorübergehenden körperlichen Beeinträchtigung führen. Nach den ersten 10 bis 20 Minuten solltest du das Schlimmste überstanden haben, denn dann beginnt der Schmerz langsam nachzulassen, aber nur, weil die Schmerzrezeptoren nach 45 Minuten zumeist erschöpft sind. Der Kampfstoff ist aber weiter wirksam und sollte möglichst schnell fachgerecht behandelt werden.

Wo und wie viel du abkriegst, macht einen großen Unterschied

1. Wirkung auf der Haut

Es zeigen sich Entzündungsreaktionen mit intensiver Hautrötung und -schwellungen.  Es brennt und juckt extrem. Trotzdem solltest du nicht reiben oder kratzen, denn das macht es noch schlimmer, die Substanzen können dann noch tiefer in die Haut eindringen. Auch solltest du immer genug Trinkwasser mit Mundstück zum Spülen der Augen und der Haut mitnehmen, denn das Kühlen mit Wasser verschafft etwas Linderung: es schließt die Poren und verlangsamt so die weitere Aufnahme des Reizstoffs. Auf Fettcremes, Make-up oder Ähnlichem haften alle Reizgase besonders gut und sie erleichtern das tiefe Eindringen in die Haut.

2. Wirkung auf die Augen

Aufgrund der heftigen Schmerzen setzt ein schneller Lidschluss ein. Die Augenbindehaut rötet sich und schwillt an, hinzu kommt starker Tränenfluss. Lass dir daher sofort deine Augen mit einem starken Strahl ausspülen, und zwar von der Nase zur Wange hin. Der Kampfstoff ist nicht wasserlöslich und muss daher verdrängt werden. Am wirksamsten und zudem preisgünstig sind Augenduschen. Kontaktlinsen verstärken die Reaktion noch, weil sich zwischen der Linse und der Hornhaut ein Reizstoffdepot entwickelt. Dies kann unter Umständen zu dauerhaften Augenschäden führen. Kontaktlinsenträger*innen brauchen dringend Hilfe beim Entfernen der Linsen, da sie ihre Augen nicht mehr selbst öffnen können. Besser ist es daher eine (Sport-) Brille zu tragen, die zudem die Augen schützt. Kontaminierte Kontaktlinsen lassen sich nicht mehr vollständig reinigen und gehören daher in den Müll.

3. Wirkung auf die Atemwege

Die Wirkung auf die Atemwege ist stark davon abhängig, in welchem Ausmaß der Wirkstoff in Mund und Atemwege gelangt; ein starker Hustenreiz setzt jedoch fast immer ein. Wenn du den Reizstoff verschluckst, kann es zu starken Schleimhautreizungen sowie Übelkeit mit Erbrechen und Kopfschmerzen kommen. Vor allem bei Kontaminierungen der Mundschleimhäute und beim Verschlucken ist möglichst fetthaltige Milch zur Nachsorge wirksam. Asthmatiker*innen (bei ihnen kann es zu einer Verkrampfung des Bronchialsystems kommen) und Menschen mit labilem Blutdruck sind besonders gefährdet und sollten sich eigens schützen.

4. Wirkung auf die Psyche

Der starke Schmerz kann bei allen Betroffenen Angst und Beklemmungsgefühle auslösen, auch Orientierungslosigkeit und panische Reaktionen können durch den Einsatz von Pfefferspray ausgelöst werden. Deine Erfahrungen und Gefühle solltest du in deiner Bezugsgruppe thematisieren. Häufig gibt es außerdem nach größeren Demos und Aktionen das qualifizierte Gesprächsangebot einer Emotionalen Ersten Hilfe wie zum Beispiel „Out of Action“, die dir helfen, mit der Gewalterfahrung klar zu kommen. Wenn du als Augenzeug*in oder Betroffene*r mit den (seelischen) Verletzungen durch Pfefferspray nicht so gut umgehen kannst, ist das völlig normal. Ein Staat, der derlei Kampfstoffe gegen Oppositionelle einsetzt, ist es hingegen nicht.

Was dagegen und danach unternommen werden kann

Frische Luft und die Hilfe vertrauter Menschen sind immer gut. Ruft die Demosanis und unterstützt deren Arbeit, indem ihr um die Verletzten einen Kreis mit dem Rücken zu ihnen bildet, damit die Ersthelfer*innen ungestört arbeiten können. Solidarität ist immer noch das beste Gegenmittel gegen Polizeigewalt.

Capsalcin ist eine ölige Substanz und daher unlöslich in Wasser. Spülen mit kaltem Wasser beseitigt daher den brennenden Schmerz nicht – aber es kühlt. Nehmt immer eine Wasserflasche mit (Nuckel-) Mundstück mit und helft euch gegenseitig! Bei vielen Betroffenen wird das Wasser knapp, deshalb ist es eine supersoli Aktion,  wenn Leute kaltes/kühles Stilles Wasser oder Leitungswasser für die Demosanis zur weiteren Behandlung der Verletzten organisieren.

Um den Reizstoff so weit wie möglich zu entfernen, solltest du ihn möglichst rasch mit einem Babyöltuch abtupfen und unmittelbar anschließend mit Pads, die in 70% reinem Alkohol getränkt wurden, sanft nachwischen (natürlich nicht die Augen!). Dabei sind jeweils nur Hautpartien von etwa 10 x 10 cm zu behandeln. Wenn diese dann noch anschließend für die Dauer von 10 bis 15 Minuten mit kaltem Wasser kühlst, ist das nach den Erfahrungen der Demosanis die beste Behandlung. Auch wenn der Schmerz abgeklungen ist, solltest du deine Haut in der beschriebenen Weise reinigen. Aloe-Vera-Blätter können – sofern keine Allergie gegen sie besteht – bei der Nachsorge die Verbrennungen lindern und den Heilungsprozess unterstützen.

Anmerkung der autonomen Sanikoordination G 20 im Juni 17:
„Bitte beachtet noch folgendes: In dem Text ist die Rede davon, dass zunächst mit Öltüchern und danach mit alkoholhaltiger Lösung gearbeitet werden soll. Dies ist ein bekanntes Vorgehen, aber auch umstritten. Das verwendete Öl kann tiefer in die Haut einziehen und dabei den Reizstoff mit ziehen. Ebenso reagiert die Haut einiger Menschen sehr empfindlich auf Alkohol. Generell gilt, mit Wasser könnt ihr nichts falsch machen!“

https://g20sanis.blackblogs.org/

Seit über zwanzig Jahren kursiert jedoch das falsche und gefährliche Gerücht, dass mit Zitronensaft oder Essig getränkte Tücher vor den Mund gehalten helfen würden. Das ist falsch (!), denn es hilft nur, den Geruch nicht so stark wahrzunehmen, was die Gefahr einer Vergiftung sogar noch vergrößert.

Was allgemein allerdings durchaus gilt: Der Grundsatz „kein Konsum von Drogen oder Alkohol vor und während der Demo“ erhält im Zusammenhang mit Pfefferspray noch einmal besondere Bedeutung. Denn unter dem Einfluss von Drogen und auch nach der Einnahme von Psychopharmaka birgt der Reizstoff ein besonderes Gefahrenpotential. So öffnet Alkoholkonsum die Poren, und das Spray dringt schneller und tiefer ein. In Kombination mit Kokain oder Amphetaminen besteht unter Umständen Lebensgefahr.

Regenschirme, kleine Visiere, Handschuhe oder Kleidung mit langen Ärmeln können als Schutz hilfreich sein.

Kontaminierte Kleidungsstücke, Transparente und Fahnen müssen entfernt und sorgfältig gewaschen werden, da indirekt zum Beispiel beim Umarmen von Genoss*innen der getrocknete Reizstoff auf Textilien nicht mehr zu erkennen und kaum zu riechen ist und so über Körperkontakte weiter verbreitet wird.

Für das Waschen der betroffenen Textilien empfehlen wir, möglichst heiß und mit Vorwäsche zu waschen und das Waschmittel auf „stark verschmutzt“ zu dosieren. Bei stark kontaminierter Kleidung solltest du die Klamotten zwei mal waschen und die Maschine danach auf 95º C durchlaufen lassen.

Rechtliches

Innerhalb vieler Länder und bei zwischenstaatlichen Konflikten ist das Pfefferspray als Waffe der biologischen Kriegsführung international verboten und geächtet.

Trotz der erheblichen gesundheitlichen Gefahren unterliegt es als Hilfsmittel der „einfachen körperlichen Gewalt“ geringeren rechtlichen Hürden wie zum Beispiel der Schlagstock oder der Wasserwerfer.

Die Handlungsanweisung der Bullen lautet, direkt ins Gesicht zu sprühen, und bei nicht erkennbarer Wirkung noch einmal „nachzupfeffern“. Die große Kartusche (RSG-8) mit 400ml und einem bis maximal sieben Meter weit reichendem Fächerstrahl darf von den Demobullen nicht unter zwei Meter Entfernung eingesetzt werden. Die kleinere Version (RSG-4) mit feinem dünnen Strahl darf nicht unter einem Meter eingesetzt werden, außer in Notwehr. Laut Polizeirecht unzulässig ist der Einsatz gegen Kinder und Schwangere. Zum Bürgerkriegsarsenal vieler Polizeitruppen auch in Deutschland gehören noch einzelne RSG-8 mit Pfefferspraykartuschen im Feuerlöscherformat mit einem speziellen Sprühschlauch.

Eine weitere Abstandswaffe ist die Pfeffersprayschusswaffe (Pepperballs), mit der das Zeug in Kapseln direkt auf uns abgefeuert wird und die bei einem Treffer platzen. Diese wurden bisher allerdings nur testweise eingesetzt. Eine serienreife Neuentwicklung, die hoffentlich nie zum Polizeiarsenal gehören wird, sind Kampfdrohnen für den Polizeieinsatz gegen Demonstrant*innen oder Streikende. Sie sind ausgestattet mit neun Minirotoren, Kamera, Lautsprechern und bewaffnet mit vier Pepperballäufen zum Abschuss von bis zu 4000 Pepperballs aus der Luft. Dazu erklärete das Internationale Komitee zur Überwachung von Roboterwaffen (ICRAC): „Pfefferspray gegen eine protestierende Menschenmenge einzusetzen ist eine Form von Folter und sollte nicht erlaubt sein.“