Mumia Abu-Jamal, jetzt im 40. Haftjahr, hat Covid-19

Dringend fordern wir die sofortige Freilassung des inhaftierten politischen Journalisten Mumia Abu-Jamal

Dave Lindorff

Der international bekannte US-amerikanische politische Gefangene Mumia Abu-Jamal hat seinen Freunden außerhalb des Gefängnisses und seiner Familie mitgeteilt, dass er sich im Gefängnis Mahanoy in Pennsylvania, in dem er inhaftiert ist, Covid-19 zugezogen hat und unter Atemproblemen leidet. Sein Leben ist in unmittelbarer Gefahr und er muss dringend im Krankenhaus behandelt werden.

Leider war diese empörende neuerliche Entwicklung nur zu vorhersehbar. Seit vielen Jahren haben Gefängnisse überall in den USA es zugelassen, dass die ernste Erkrankung von Gefangenen letztlich als eine Art „stiller Hinrichtung“ dient, und das, obwohl viele dieser Gefangenen die Verbrechen, für die sie verurteilt wurden, gar nicht begangen haben. In diesem System werden viele unschuldige wie schuldige Gefangene unmenschlich und drakonisch bestraft, so dass sie bis ins Alter in Haft bleiben. Das bedeutet, das sie besonders anfällig für potentiell tödliche Krankheiten wie Grippe, Krebs, Hepatitis, Lungenentzündung oder jetzt Covid-19 sind.

Der bekannte Journalist und politische Aktivist Abu-Jamal, der inzwischen seit über 39 Jahren in Haft ist, verbüßt derzeit eine lebenslängliche Gefängnisstrafe ohne Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung, zu der er 1982 wegen Mordes an einem weißen Polizeibeamten verurteilt wurde.

Wie ich in meinem Buch zu seinem Fall, Killing Time, geschrieben habe, erfolgte seine Verurteilung nach einem Prozess, der nicht nur durch die Lügen manipulierter Anklagezeugen (darunter auch Polizeibeamte) gekennzeichnet war, sondern auch durch Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft, zurückgehaltene Entlastungsbeweise, rassistische Voreingenommenheit bei der Geschworenenauswahl und einen rassistischen, die Partei der Staatsanwaltschaft ergreifenden Richter, der einer Zeugin zufolge zu Beginn des Verfahrens sagte, er werde der Anklage helfen, „den Nigger zu grillen“.

Die Berufungsversuche Abu-Jamals waren durch ähnliche Faktoren zunichtegemacht. Eines der tödlichsten Beispiele hierfür war der Bezirksstaatsanwalt Philadelphias von 1986 bis 1991, Ronald Castille, der während seiner Amtszeit Mumias Gegner bei dessen erfolgloser erster Berufung gewesen war, aber dann als Richter am Pennsylvania Supreme Court auf seiner Mitwirkung an dessen abschlägigen Entscheidungen über Mumias weitere Berufungen insistierte.

Das gesamte Verfahren im Fall Abu-Jamal einschließlich seiner Berufungen ist eine groteske Rechtsverdrehung und ein Skandal von epischem Ausmaß.

Ganz entsprechend dem Schicksal so gut wie aller Gefangener in US-amerikanischen Haftanstalten wurde Mumia, obwohl er bereits an Leberzirrhose litt, der Zugang zu einer medikamentösen Behandlung verweigert, die bekanntermaßen eine 95-prozentige Erfolgsrate bei der Bekämpfung des in US-Gefängnissen endemischen Hepatitis-C-Virus hat, bis ein Bundesgericht die Behandlung anordnete. Hinter diesem Vorgehen standen Gefängnisbeamte, die genau wussten, dass die durch das Virus ausgelöste Krankheit bei Nichtbehandlung meist zu einer Zirrhose, dann zu Krebs und schließlich zum Tod führt. In Mumias Fall zögerten rechtliche Einwände der Anwälte der Gefängnisadministration die Umsetzung dieses Gerichtsbeschlusses bis zu einem Punkt heraus, an dem Mumias Hepatitis bereits zu einer Leberzirrhose fortgeschritten war.

Wie vorherzusehen war, hat Mumia nun auch eine mit Covid-19-Infektion. Es war vorhersehbar, weil die US-Gefängnisse überfüllt, völlig ungeeignet zur Einhaltung von Abstandsregeln und damit offensichtlich Brutstätten für epidemische Krankheiten sind. Dennoch wurden sie nicht zu Orten allererster Priorität für die Belieferung mit den Impfstoffen erklärt, die die Menschen dort vor der Ausbreitung dieses tödlichen Virus, der bereits eine halbe Million US-Ameri­kaner das Leben gekostet hat, schützen können.

Die Entscheidung, einer Gefangenenbevölkerung von 2,3 Millionen die Impfung vorzuenthalten, stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Dieses Verbrechen ist umso empörender, als viele Insassen der Gefängnisse der USA aufgrund der extrem harten Bestrafungspraxis dieser rachebesessenen, rassistischen, klassistischen und vorsätzlich grausamen Gesellschaft ungewöhnlich alt sind. So berichtet die US-Gefängnisbehörde, dass 20 Prozent der Bundesgefangenen über 50 Jahre alt sind. Womöglich noch schlimmer sind die Verhältnisse in den US-Einzel­staaten, wo Straffällige routinemäßig zu Haftstrafen von bis zu 40 Jahren oder, im Fall von Vergewaltigung und Mord, zu Lebenslänglich ohne vorzeitige Entlassung verurteilt werden. Man vergleiche das mit den Verhältnissen in den meisten zivilisierten Ländern, in denen die Strafen selbst für die schwersten Verbrechen de facto auf 15 oder allenfalls 25 Jahre begrenzt sind.

Angesichts der medizinischen Krise, der die USA und der Rest der Welt aufgrund der gegenwärtigen Pandemie gegenüberstehen, sollten der Bundesstaat und alle 50 Einzelstaaten der Nation die unverzügliche Haftentlassung sämtlicher Gefangener anordnen, die über 50 Jahre alt sind, sofern keine soliden Hinweise dafür vorliegen, dass bei dem betreffenden Häftling ein hohes Rückfallrisiko in Bezug auf Gewaltverbrechen vorliegt.

Das ist bei Mumia Abu-Jamal, der während der gesamten 39 Jahre seiner Haft ein Mustergefangener war und nie die geringste Gewalt angewendet hat, ganz gewiss nicht der Fall.

Freiheit für Mumia und sämtliche älteren Insassen der Gefängnisse Pennsylvanias – sofort!

Am 6. März findet eine virtuelle internationale Veranstaltung für die Freilassung Mumias statt: GLOBAL VIRTUAL STREET MEETING FOR MUMIA – https://bringmumiahome.com/global-virtual-street-meeting-for-mumia-abu-jamal/

Dave Lindorff ist der Autor des Buches Killing Time: An Investigation into the Death Row Case of Mumia Abu-Jamal (Common Courage Press, 2003).